Bürgerbegehrensbericht 2016: Bayern bleibt Spitzenreiter

Bürgerbegehren werden in den deutschen Gemeinden allmählich zur Normalität: Seit 1956 fanden deutschlandweit knapp 7000 Verfahren statt. Etwa 350 Bürgerbegehren und Ratsreferenden wurden im Jahr 2015 gestartet. Der Bericht, den der Verein Mehr Demokratie zusammen mit dem Institut für Demokratie- und Partizipationsforschung der Bergischen Universität Wuppertal und der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie der Universität Marburg vorlegt, zeige einen verlässlichen Trend hin zu mehr direkter Demokratie, sagt Susanne Socher, Vorstandssprecherin des Vereins Mehr Demokratie Bayern.

Doch zwischen den einzelnen Bundesländern gibt es große Unterschiede: Während die direkte Demokratie in Berlin zum Tagesgeschäft gehört (alle 3 Jahre ein Verfahren), erleben viele Menschen in Rheinland-Pfalz niemals ein Bürgerbegehren. In Bayern kommt es im Schnitt pro Gemeinde alle 16 Jahre zu einem Bürgerbegehren. Damit ist dies eine der wenigen Statistiken in denen Bayern nicht an der Spitze liegt. Ansonsten bleibt Bayern aber Spitzenreiter. Etwa 40 Prozent aller 6.958 Verfahren (2.727) fanden in Bayern statt. Mit einem durchschnittlichen Wert von 130 Verfahren pro Jahr liegt Bayern auch weit vor dem zweitplatzierten Nordrhein – Westfalen mit 33 Verfahren.

Nicht selten wurden Bürgerbegehren durch einen Beschluss des Gemeinderat übernommen. So zum Beispiel in Augsburg beim geplanten Verkauf des Stadtbades. Bayernweit erledigten sich 12,5 Prozent durch einen positiven Beschluss der Gemeinde- bzw. Stadträte. „Oft reicht die Ankündigung eines Bürgerbegehrens schon, um in der Kommune etwas zu bewegen.“, so Socher. Kommt es zu einem Bürgerentscheid, liegt die Erfolgsqoute bei 48,4 Prozent. Ratsreferenden, bei denen Gemeinderäte den Einwohnern ihrer Kommune Fragen vorlegen können, haben mit 48,9 Prozent nur eine marginal höhere Zustimmungsquote als bürgerinitiierte Abstimmungen. Aber auch Bürgerentscheide, die eine Mehrheit der Stimmen bekommen, können scheitern. Wird ein bestimmtes Zustimmungsquorum nicht erreicht, welches von der Größe der Kommune abhängig ist, gilt der Bürgerentscheid als „unecht“ gescheitert. Dies betrifft besonders Städte mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern. Hier scheitern mehr als 20 Prozent aller Bürgerentscheide am Quorum. „Der Gesetzgeber ist dringend aufgefordert diese Ungleichbehandlung aufzuheben und die Höhe der Quoren anzupassen, oder bestenfalls ganz abzuschaffen. Mehr Demokratie fordert dies seit Jahren“, erläutert Socher.

Themen, die die Bürger umtreiben, sind vor allem Wirtschaftsprojekte (18,9 Prozent aller Verfahren) öffentliche Sozial- und Bildungseinrichtungen (18,3 Prozent) sowie Verkehrsprojekte (16,6 Prozent). „Das Thema Flüchtlingsunterkünfte spielt bei Bürgerbegehren keine besonders große Rolle“, stellt Socher fest. Insgesamt zählt der Bericht nicht mehr als 33 Begehren zu Flüchtlingsunterkünften, denen im gleichen Zeitraum über 6.000 Verfahren zu anderen Themen gegenüberstehen. 2015 beschäftigten sich 6 Prozent aller neuen Verfahren mit Flüchtlingsunterkünften, auf die vergangenen 20 Jahre gerechnet waren es nur rund 0,5 Prozent. Vier Verfahren waren erfolgreich im Sinne der Initiatoren: In drei Fällen übernahm der Gemeinderat das Anliegen und in einem Ratsreferendum stimmte eine Mehrheit für die Flüchtlingsunterkunft. „Es gab bisher keinen einzigen erfolgreichen Bürgerentscheid gegen eine Flüchtlingsunterkunft“, fasst Socher zusammen. „Denjenigen, die versuchen die direkte Demokratie gegen das Flüchtlingsthema auszuspielen, nimmt ein Blick auf die Zahlen den Wind aus den Segeln.“

Bürgerbegehrensbericht 2016

Den gesamten Bericht finden Sie hier (pdf).