Kommunaler Abstimmungssonntag in Bayern: zehn Bürgerentscheide an einem Tag!

Am Sonntag, den 24.07., fanden zehn Bürgerentscheide im Freistaat statt. In Ingolstadt, Würzburg, Volkach, Ochsenfurt und Amberg waren Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, über Themen wie den Bau von Kammerspielen, kostenloser ÖPNV oder den Bau von Wohngebieten abzustimmen. Somit fanden an einem Sonntag in Bayern mehr Abstimmungen statt als beispielsweise in NRW in ganz 2022. Trotz der erfreulichen Zahlen auf kommunaler Ebene: wir wollen Abstimmungssonntage auch auf Landesebene!

Bürgerentscheide sind in Bayern keine Seltenheit. Knapp 40 Prozent aller direktdemokratischen Verfahren in Deutschland laufen im Freistaat ab. Dennoch kommt es nicht so oft vor, dass an einem Tag bayernweit gleich zehn Bürgerentscheide stattfinden. Dieser kommuanle Abstimmungssonntag verdeutlicht, dass sich die Menschen vor Ort auch zwischen den Wahlen einbringen und über die Zukunft ihrer Kommune abstimmen wollen. Das zeigt, die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene ist lebendig und flächendeckend praktiziert.

Abstimmungssonntage auch auf Landesebene?

Während es alleine in 2022 bisher 51 Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene im Freistaat gab, fand der letzte Volksentscheid auf Landesebene 2010 statt. Damals stimmte die Mehrheit der Menschen in Bayern für ein Nichtraucherschutzgesetz. Es herrscht eine Diskrepanz zwischen der direktdemokratischen Beteiligungskultur auf kommunaler und auf Landesebene. Freilich sind Volksbegehren und Volksentscheide in einem Flächenland wie Bayern schlichtweg komplizierter und langwieriger als Bürgerbegehren in einer Kommune. Volksbegehren sind groß angelegte Bildungsveranstaltungen, die den Bürgerinnen und Bürgern ein Angebot zum politischen Austausch über eine Sachfrage machen. Es braucht oft ein breites Bündnis und Zeit, um die Menschen in Bayern über die Initiative zu informieren.

 

Seit Einführung von Volksbegehren und Volksentscheiden in Bayern 1946 gab es im Freistaat sechs Volksentscheide. Das ist mehr als in den meisten anderen Bundesländern. Trotzdem sind die Zahlen ausbaufähig! Ein Blick in die direktdemokratische Schweiz genügt, um zu sehen, wie eine regide Abstimmungskultur aussehen kann. Alleine in 2021 gab es dort vier Abstimmungssonntage, an denen die Schweizerinnen und Schweizer bundesweit über 13 Gesetze entschieden haben. Einige der Themen wären für Volksentscheide auf bayerischer Landesebene unzulässig, wie zum Beispiel eine Abstimmung über ein COVID-19-Gesetz. Doch Abstimmungssonntage auf Landesebene, an denen über ein oder mehrere Gesetze abgestimmt würde, könnte es auch in Bayern geben!

Reformen für die direkte Demokratie auf Landesebene nötig

Um die gute direktdemokratische Praxis von der kommunalen auf die Landesebene zu übertragen, braucht es Reformen. Zwei zentrale Reformvorschläge werden im Folgenden kurz vorgestellt. Diese würden Abstimmungssonntage in Bayern wahrscheinlicher machen und die direkte Demokratie auf Landesebene stärken.

Senkung der Hürden beim Volksbegehren

Auch aufgrund der hohen Hürden für Volksbegehren warten die Menschen in Bayern seit zwölf Jahren auf einen Volksentscheid. Für ein erfolgreiches Volksbegehren müssen 10 Prozent der Stimmberechtigten (ca. eine Millionen Bürgerinnen und Bürger) unterschreiben. Im Ergebnis scheiterten über die Hälfte aller Volksbegehren in Bayern daran, dass sie nicht genügend Unterschriften sammeln konnten. Hätte in Bayern das Unterschriftenquorum von Schleswig-Holstein (3,6 Prozent) gegolten, so wären nur fünf von insgesamt 21 Volksbegehren seit 1946 gescheitert. Eine Absenkung des Unterschriftenquorums auf 2 – 3 Prozent würde der direkten Demokratie auf Landesebene einen erheblichen Anschub leisten.

Freie und digitale Unterschriftensammlung

Erschwerend kommt beim Volksbegehren hinzu, dass die eine Millionen Stimmberechtigten das Volksbegehren innerhalb von 14 Tagen auf ihren Rathäusern unterzeichnen müssen. Eine freie Eintragung ist nicht erlaubt. Diese hat sich jedoch bei Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene vollkommen bewährt, bedeutet weniger Bürokratie für Ämter, bedeutet weniger Benachteiligung für mobil eingeschränkte Personen und ermöglicht mehr persönliche Gespräche bei der Unterschrift, was sich positiv auf die demokratische Kultur auswirkt. Gleichzeitig würde die Möglichkeit der digitalen Unterschrift (beispielsweise durch die BayernID) das Sammeln von Unterschriften noch weiter vereinfachen.

Weitere Reformvorschläge für Volksbegehren und Volksentscheide in Bayern gibt es hier.

Die Ergebnisse des bayerischen kommunalen Abstimmungssonntags im Überblick

In Ingolstadt fanden gleich drei Bürgerentscheide statt. Zum einen gab es ein Ratsbegehren mit der Frage: „Sind Sie dafür, die Kammerspiele an der Schutterstraße zu bauen?“ Das Ratsbegehren bejahten 39,8 Prozent, mehrheitlich lehnten 60,2 Prozent das Ratsbegehren ab. Somit wird es keine Kammerspiele an der Schutterstraße geben.

Zwei weitere Bürgerentscheide beschäftigten sich mit einem möglichen Schulbau im Ingolstädter Grünring. Das Ratsbegehren, welches sich für den Bau einer neuen Schule aussprach, lehnten 50,4 Prozent der abstimmenden Menschen ab. Zusätzlich befürworteten 58,4 Prozent das Bürgerbegehren gegen den Bau der Schule im Grünring. Die Schule wird aufgrund dieses Ergebnisses nicht am erdachten Standort im Ingolstädter Grünring errichtet. Die Wahlbeteiligung lag bei 25,6 Prozent.

 

Die Würzburgerinnen und Würzburger stimmten in zwei Bürgerentscheiden über die Parksituation auf der Talavera ab. Das Ratsbegehren pro Parkgebühren und kostenfreien ÖPNV unterlag deutlich. 63,6 Prozent lehnten das Ratsbegehren ab, während das Bürgerbegehren pro kostenfreiem Parken auf der Talavera 76 Prozent Zustimmung erhielt. Autofahrer können dadurch weiterhin umsonst auf der Talavera parken. Die Wahlbeteiligung betrug 46,6 Prozent.

 

Bei den beiden Bürgerentscheiden in Volkach setzt sich das Ratsbegehren für den Bau zweier Wohnblöcke in der Stichfrage knapp durch. 1.703 Stimmen erhielt das Ratsbegehren, auf das Bürgerbegehren gegen den Bau entfielen 1.634 Stimmen. Somit werden die Wohnblöcke gebaut. Die Wahlbeteiligung lag bei 47 Prozent.

 

Auch in Ochsenfurt standen zwei Bürgerentscheide zum Bau eines Wohngebiets an. Hierbei setzte sich das Bürgerbegehren gegen die Bebauung mehrheitlich durch. 68,5 Prozent befürworteten das Bürgerbegehren, 42,7 Prozent stimmten für das Ratsbegehren, weshalb ein Wohnungsbau entfällt. Die Wahlbeteiligung betrug 48,4 Prozent.

 

In Amberg stand ein möglicher Hotelanbau mitsamt eines neuen Veranstaltungssaals für eine Gaststätte zur Abstimmung. Das Bürgerbegehren gegen den Anbau wurde mit 58,2 Prozent der Stimmen abgelehnt. Das bedeutet, die Erweiterungen der Gaststätte können nun gebaut werden. Die Wahlbeteiligung lag bei 34,6 Prozent.