Stellungnahme von Mehr Demokratie e.V. zum Entwurf für das 4. Modernisierungsgesetz und die darin geplante Streichung des Lobbyregisterberichts (Art. 7 BayLobbyRG)

Gefahr für die Transparenz in Bayern! Die Staatsregierung plant im 4. Modernisierungsgesetz die Streichung der Berichtspflicht zum Lobbyregister – nur drei Jahre nach dessen Inkrafttreten. Mehr Demokratie e.V. warnt vor einer Machtverschiebung zugunsten der Exekutive und dem Abbau demokratischer Kontrolle. Wir fordern: Erhalt der Berichtspflicht und Modernisierung des Registers statt Abschaffung! Lesen Sie unsere Stellungnahme.

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Stand: 27.10.2025, Gabriel Baunach

Kurzfassung

Das Bayerische Lobbyregister trat Anfang 2022 in Kraft. Es ist ein wichtiger Schritt für Transparenz und Integrität in der Politik und somit auch für das Vertrauen der Bevölkerung. Nur drei Jahre später soll eine zentrale Kontrollbestimmung im Lobbyregistergesetz entfallen. Denn der Entwurf der Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern für das 4. Modernisierungsgesetz sieht die Streichung der regelmäßigen Berichtspflicht vor. Dieser Schritt steht symptomatisch für eine gefährliche Entwicklung: Statt direkte Beteiligungs- und Transparenzstrukturen zu stärken, soll die Exekutive handlungsfähiger werden. Ein handlungsfähiger Staat in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung braucht jedoch nachvollziehbare, überprüfbare und lernfähige Institutionen. Mehr Demokratie e.V. fordert deshalb eine Überarbeitung des Gesetzestextes des 4. Modernisierungsgesetz: Eine Weiterentwicklung und Ausweitung des Lobbyregisters zu einem digitalen, in Echtzeit auswertbaren System, das Transparenz, Rechenschaftspflicht und somit das Vertrauen in die Gesetzgebungsprozesse und unsere Demokratie stärkt.

1. Anlass und Kontext

Mit dem Entwurf zum 4. Modernisierungsgesetz (4. MoG) soll die bisher in Art. 7 BayLobbyRG verankerte Pflicht entfallen, alle zwei Jahre einen Bericht über die Anwendung des Lobbyregisters vorzulegen. Künftig soll nur noch „anlassbezogen“ berichtet werden, d.h. “wenn es angezeigt und sachgerecht ist”. Was das konkret bedeutet, wird in der Vorbemerkung zur Gesetzesänderung nicht weiter ausgeführt. Damit würde die institutionalisierte Rechenschaftspflicht abgeschafft und durch eine freiwillige Überprüfung durch diejenigen ersetzt, die zu überprüfen sind.

Der Gesetzentwurf zum 4. MoG ist Teil einer umfassenden Novelle, die über 80 Rechtsnormen betrifft – von der Raumordnung bis zum Gleichstellungsrecht – und damit grundlegend das Verhältnis von Regierung, Landtag, Verwaltung, Gemeinden und Bürgerinnen und Bürgern berührt.

Das Lobbyregister ist ein zentrales Instrument, das Korruption oder unausgewogene oder unlautere Einflussnahme auf die Legislative vorbeugen und das Vertrauen der Bevölkerung in ihre gewählten Abgeordneten stärken soll. Gerade in Zeiten von wachsendem Misstrauen gegenüber Staat und Regierung sollten das Lobbyregister und der Lobbyregisterbericht weiterentwickelt und nicht beschnitten werden.

 

2. Demokratiepolitische Bewertung

Das 4. Modernisierungsgesetz verändert das Gleichgewicht zwischen parlamentarischer Kontrolle, öffentlicher Beteiligung und administrativer Eigenmacht.

  1. Machtverschiebung zugunsten der Exekutive:
    Entscheidungsprozesse werden vereinfacht, aber zugleich weniger überprüfbar. Demokratische Kontrolle durch den Landtag und durch Öffentlichkeit wird geschwächt.

  2. Schwächung von Beteiligungs- und Anhörungsrechten:
    Zahlreiche formalisierte Verfahren – etwa Berichtspflichten, regelmäßige Raumbeobachtung und Anhörungen – sollen entfallen oder durch unverbindliche „anlassbezogene“ Maßnahmen ersetzt werden.

  3. Abbau von Rechenschaftspflichten:
    Der Wegfall periodischer Berichte (Lobbyregister, Klima-, Gleichstellungs-, Umweltberichte) nimmt dem Landtag zentrale Instrumente der politischen Kontrolle. Verwaltungshandeln wird autonomer, aber weniger kontrollierbar.

  4. Spannung zu demokratischen Grundprinzipien:
    Der Entwurf steht in Spannungsverhältnis zu zentralen Normen der Bayerischen Verfassung:

    • Parlamentarische Kontrolle (Art. 13 BV)

    • Bürgerbeteiligung (Art. 11 BV)

    • Kommunale Selbstverwaltung (Art. 83 BV)

    • Transparenz und Öffentlichkeit (Art. 52 BV)

  5. Gesamtwirkung:
    Unter dem Vorwand von Bürokratieabbau droht sich ein Prozess der  Entparlamentarisierung und der Entöffentlichung politischer Prozesse in Gang zu setzen. Das schwächt demokratische Kultur und öffentliche Rechenschaft.

 

3. Zentrale Argumente gegen die Streichung des Lobbyregisterberichts

3.1 Institutionalisierte Transparenz statt Freiwilligkeit

  • Der Bericht schafft eine verbindliche, regelmäßige Rechenschaftspflicht der Staatsregierung gegenüber Landtag und Öffentlichkeit.

  • Ohne gesetzliche Pflicht droht, dass Berichte unregelmäßig, selektiv oder gar nicht mehr erfolgen.

3.2 Gesellschaftliche Erwartung: Transparente Berichterstattung

  • Bürgerinnen und Bürger erwarten institutionalisierte Rechenschaft: Beim Volksentscheid „Artenvielfalt – Rettet die Bienen!“ (2019) bspw. wurden im BayNatSchG ausdrücklich Berichtspflichten verankert:
    – in jeder Legislaturperiode ein Bericht zur Lage der Natur,
    – jährlich ein Statusbericht über ökologisch bewirtschaftete Flächen (Art. 3a BayNatSchG).

  • Das 4. Modernisierungsgesetz sieht die Streichung von Art. 3a BayNatSchG vor – ein Rückschritt, der den Anspruch auf Transparenz konterkariert.

3.3 Mehrwert über Rohdaten hinaus

Der Lobbyregisterbericht liefert zentrale Analysen, die im öffentlichen Register selbst nicht zugänglich sind:

  • Entwicklung der Einträge: Verlauf von 153 → 298 → 405 → 500 → 762 aktiven Organisationen (2022–2023).

  • Nutzungszahlen: 1.012 Benutzerprofile, rund 100 Entwürfe, über 50.000 Website-Aufrufe.

  • Prüf- und Sanktionspraxis: Hälfte der Neuregistrierungen mit Nachbesserungsbedarf; 1 OWi-Verfahren (eingestellt).

  • Aggregierter „Fußabdruck“: 159 Stellungnahmen zu 25 Gesetzentwürfen (davon 24 aus der Staatsregierung, 1 aus der FDP).
    Diese Daten zeigen, wie das Register genutzt, überprüft und angewandt wird – und wären ohne Bericht für Öffentlichkeit und Parlament nicht oder nur mühsam erschließbar.

3.4 Vergleichbarkeit und Evaluation

  • Nur der Bericht ermöglicht, Entwicklungen über die Zeit zu dokumentieren und Wirksamkeit zu prüfen.

  • Das Gesetz schreibt zudem eine Evaluation fünf Jahre nach Inkrafttreten (2027) vor. Der regelmäßige Bericht ist dafür eine unverzichtbare Datengrundlage.

3.5 Europäische und internationale Standards

  • Auf EU-Ebene sind regelmäßige Berichte zum gemeinsamen Lobbyregister von Parlament, Rat und Kommission selbstverständlich.

  • Der Europarat (GRECO) fordert ausdrücklich regelmäßige Transparenzberichte.

  • Eine Streichung würde Bayern hinter diese europäischen Mindeststandards zurückwerfen und den guten Rang im Transparency-International-Länderranking (Platz 2 im Jahr 2022) gefährden.

3.6 Demokratische Symbolwirkung

  • Transparenzberichte sind kein bürokratischer Ballast, sondern Ausdruck ernst gemeinter demokratischer Rechenschaft.

  • Ihre Abschaffung vermittelt das gegenteilige Signal: dass Transparenz verzichtbar sei. Das schwächt das Vertrauen in Politik und Verwaltung.

 

4. Alternative Wege zum Bürokratieabbau

Transparenz und Effizienz müssen kein Widerspruch sein. Moderne digitale Werkzeuge erlauben automatisierte, aufwandarme Berichterstattung:

  • Automatisierte Veröffentlichung: Dashboard mit Live-Kennzahlen zu Einträgen, Stellungnahmen und Prüfverfahren auf der Website des Lobbyregisters.

  • Automatisierte Statistikberichte: regelmäßige PDF/HTML-Reports direkt aus der Datenbank, ohne redaktionellen Zusatzaufwand.

  • Ergänzende Pflichtfelder / Metadaten: z. B. Zahl laufender OWi-Verfahren oder Rechtsverfahren – minimaler Pflegeaufwand, maximaler Erkenntnisgewinn.

  • Verankerung demokratischer Mindeststandards: Aggregierte Kennzahlen sollen gesetzlich weiterhin regelmäßig veröffentlicht werden.

  • Open-Data-Potenzial: Mit der bestehenden Plattform open.bydata (seit 2023) verfügt Bayern bereits über eine digitale Infrastruktur, um Datensätze sicher und nutzerfreundlich zu veröffentlichen.

 

5. Schlussfolgerung und Forderung

Das 4. Modernisierungsgesetz darf nicht zum Synonym für den Abbau demokratischer Transparenz werden.
Der Lobbyregisterbericht ist kein bürokratischer Luxus, sondern ein demokratisches Kontrollinstrument.

Mehr Demokratie e.V. fordert:

  1. Erhalt von Art. 7 Abs. 1 BayLobbyRG in seiner bisherigen Form,

  2. Modernisierung statt Abschaffung der Berichtspflicht – durch digitale Verfahren,

  3. Respektierung direktdemokratischer Transparenzentscheidungen (Art. 3a BayNatSchG).

Nur durch verbindliche, nachvollziehbare Berichte bleibt das Lobbyregister ein wirksames Instrument für Offenheit, Nachvollziehbarkeit und Vertrauen in die politische Entscheidungsfindung in Bayern.