Volksbefragungen in Bayern

Am 01.03.2015 beschloss der Landtag in Bayern per Gesetz das Instrument der "Volksbefragung" einzuführen. Damit war die Möglichkeit geschaffen worden, bayernweite unverbindliche Volksbefragungen durchzuführen. Sie konnten von der Bayerischen Staatsregierung zusammen mit der Landtagsmehrheit initiiert werden - nicht jedoch vom Volk.

Eine derart von oben dekretierte Volksbeteiligung ist natürlich keine echte direkte Demokratie - zumal das Ergebnis auch noch unverbindlich ist.

Unter diesen Bedingungen ist Mehr Demokratie gegen dieses Instrument. Statt dessen fordern wir die Ausweitung der direkten Demokratie mit der Initiiativmöglichkeit durch Bürgerinnen und Bürger und mit verbindlichen Entscheidungen.

Volksbefragungen beziehen sich auf "Vorhaben des Staates". Das sind Themen, die nicht im Landtag beschlossen werden. Mögliche Themen könnten z.B. die 3. Startbahn am Flughafen München oder die Unterstützung der Olympiabewerbung bayerischer Kommunen durch die Staatsregierung sein.

Alles das sind "Vorhaben des Staates", die nicht im Landtag beschlossen werden, sondern von der Bayerischen Regierung ohne einen Landtagsbeschluss in Angriff genommen werden können.

Es geht also um andere Angelegenheiten als bei der bereits bestehenden Volksgesetzgebung in Bayern (Zulassungsantrag, Volksbegehren, Volksabstimmung). Damit kann ein Gesetzgebungsprozess durchgeführt werden, der in der Kompetenz des Landtags liegt.

Die Einführung von Volksbefragungen wurde von Mehr Demokratie Bayern kritisch begleitet. Zwei Oppositionsfraktionen (GRU, SPD) im Bayerischen Landtag strengten gegen das Gesetz ein Gerichtsverfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof an.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am 21. November 2016 entschieden, dass die Regelungen über Volksbefragungen im Landeswahlgesetz mit der Bayerischen Verfassung unvereinbar sind. Damit ist das beschlossene Gesetz nichtig.

Pressemeldung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes

Sueddeutsche Zeitung 21.11.2016: Bayern: Unverbindliche Volksbefragungen sind verfassungswidrig

Bayerischer  Rundfunk 21.11.2016: Jetzt geht es an die Verfassung

 

 

 

Öffentliche Diskussion

Die Einführung des Gesetzes war Anlass zu einer öffentlichen Diskussion über direkte Demokratie in Bayern, die wir hier dokumentieren.

Eine Zusammenfassung der Landtagsdebatte zur Verabschiedung des Gesetzes (11.02.2015) gibt es auf der Internetseite des Bayerischen Landtags.

Im Web-TV des Bayerischen Landtags sind die Reden dazu in voller Länge als Aufzeichnung verfügbar.

 

Presse / Medien:

Sueddeutsche Zeitung 21.11.2014: Grüne wollen CSU vor Gericht stoppen

Sueddeutsche Zeitung 11.02.2015: Mitbestimmung auf bayerisch

Mittelbayerische Zeitung 11.02.2015: Unverbindliche Volksbefragungen kommen

Augsburger Allgemeine 11.02.2015: CSU beschließt Gesetz für unverbindliche Volksbefragungen

SAT1 Bayern 11.02.2015: Wir haben unser Wörtchen mitzureden!

Augsburger Allgemeine 19.03.2015: Kommt eine Volksbefragung zur dritten Startbahn?

Augsburger Allgemeine 17.10.2016: Verfassungsgerichtshof überprüft bayerische Volksbefragungen

 

Beim Bayerischen Rundfunk hat sich das Schleichfernsehen dem Thema Volksbefragung angenommen:

Kleine Landtagskunde: Volksbefragungen

 

 

Weitere Informationen:

Abgeordentenwatch-Links der Debattenredner - dort können online Fragen an die Abgeordneten gestellt werden.

Petra Guttenberger (CSU)1)

Franz Schindler (SPD)1)

Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER)
   
Katharina Schulze (GRU)
   
Josef Zellmeier (CSU)1)  

Florian Streibl (FREIE WÄHLER)1) 

Staatsminister Joachim Herrmann

1)Mitglied im Verfassungsausschuss des Bayerischen Landtags, der für das Thema Volksbefragungen zuständig ist.

Übersichtseite zur Plenarsitzung vom 11.02.2015 auf der Webseite des Bayerischen Landtags.


Volksbefragung ist eine Farce

Direkte Demokratie und echte Bürgerbeteiligung sieht anders aus

 

Als sehr enttäuschend wertet der Landesverband Bayern des Vereins Mehr Demokratie den Beschluss des Landtags, künftig Volksbefragungen zu bedeutenden Themen zu ermöglichen. Nur Landesregierung und die Mehrheit des Landtags zusammen können beschließen ein Thema den Bürgerinnen und Bürgern zur unverbindlichen Befragung vorzulegen. Die Opposition und vor allem die Bürger selbst bleiben bei der Themensetzung außen vor. Eine echte Beteiligung der Bürger sehe anders aus.

„Kein anderes Bundesland kennt das Instrument einer Volksbefragung. Damit geht Bayern neue, aber auch höchst fragwürdige Wege“, meint Susanne Socher, Vorstandssprecherin des Mehr Demokratie Landesverbands Bayern. Laut Horst Seehofer soll Bayern zum modernsten Bürgerstaat des 21. Jahrhunderts werden, in dem die Bürger mitreden, sich einmischen und mitgestalten können sollen. Leider sehe die Volksbefragung aber keine Möglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger vor sich überhaupt in irgendeiner Form einzubringen, so Socher.

Um die Mitwirkungs- möglichkeiten in Bayern auszubauen wäre es ehrlicher und wirksamer, die bestehenden Regelungen für Volksbegehren und Volksentscheide auszubauen. Immer noch scheitern sehr viele Volksbegehren an den zu hohen Hürden. Innerhalb von zwei Wochen müssen sich in ganz Bayern 10 Prozent (etwa 940 000) Wahlberechtigte auf den Ämtern eintragen, damit es überhaupt zu einem Volksentscheid kommt. „Zusätzlich dazu eine freie Unterschriftensammlung einzuführen wäre schon eine enorme Erleichterung“, erläutert Susanne Socher. Auch müsse es möglich sein über finanzwirksame Themen Volksbegehren zu initiieren.

Die Volksbefragung kann auch unter anderen Aspekten als kritisch gewertet werden. Dadurch dass nur Landesregierung und Mehrheit des Parlaments zusammen eine Volksbefragung auslösen können komme dies de facto einem Abbau der Gewaltenteilung gleich. Einzig die Exekutive wird gestärkt. Unter den derzeit gegebenen Mehrheitsverhältnissen profitiere hier einzig die CSU. Ob wirklich kritische und umstrittene Fragen aufs Tablett der Abstimmung kommen sei fraglich, so Socher. Durch eine gute Wahl von Fragestellung und Zeitpunkt einer Volksbefragung könne jedenfalls ein Wink in eine bestimmte Richtung gegeben werden. Fraglich bleibe auch inwieweit das neue Instrument überhaupt auf Akzeptanz seitens der Bevölkerung stoße, da es gänzlich unverbindlich sei und somit keine echte Entscheidung darstelle.