2.200 Bürgerbegehren in Bayern

Anlässlich des ersten Bürgerentscheids vor 20 Jahren legt der Fachverband „Mehr Demokratie“ den 20 Jahres – Bericht vor.

Die Ergebnisse zeigen: Die Bürger gestalten aktiv mit.

Eine „Vorherrschaft von Berufsquerulanten“ und die ständige Blockade von Wirtschaftsprojekten, so lauteten die düsteren Prognosen der Gegner als das Gesetz zum kommunalen Bürgerentscheid per Volksentscheid am 1. Oktober 1995 beschlossen wurde. Seither können die Bürgerinnen und Bürger Bayerns über einzelne Sachfragen in ihren Gemeinden direkt abstimmen. Voraussetzung dafür ist, dass genügend Unterschriften gesammelt werden und das Bürgerbegehren für zulässig erklärt wird. Zum ersten Bürgerentscheid kam es heute vor 20 Jahren in Waldsassen (Oberpfalz) über den Bau einer Umgehungsstraße. Und er endete im Sinne der Initiatoren, also der Bürger. „Entgegen aller damaligen Befürchtungen, sollte es aber nicht das Ende der Demokratie einläuten. Ganz im Gegenteil: Bis heute zeigt sich ein hohes Maß an Vernunft und Gestaltungswillen.“, so Susanne Socher, Vorstandssprecherin von Mehr Demokratie in Bayern, verantworlich für die Bürgerbegehrensberatung.

Seitdem kam es in Bayern zu 2.676 Verfahren (Bürgerbegehren und Ratsreferenden), von denen 1.629 in einen Bürgerentscheid mündeten. Damit ist Bayern absoluter Spitzenreiter im bundesweiten Vergleich, wie die Statistiken des des Vereins zeigen, der damals das Volksbegehren zur Einführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden initiiert hatte. Nachdem in den ersten Jahren eine erhöhte Anzahl an Bürgerbegehren stattfanden, hat sich die Anzahl in den letzten Jahren auf ein Mittel zwischen 100 und 130 Verfahren pro Jahr eingependelt. Die meisten Verfahren wurden dabei in Oberbayern eingeleitet. Mit 935 Verfahren kam es zu mehr als doppelt so vielen Verfahren wie im zweitplatzierten Regierungsbezirk Schwaben. Die Städte mit den meisten Verfahren waren Augsburg (28) und München (27). Die Themen schwankten dabei von der Ablehnung für ein Gaskraftwerk in Augsburg bis zur Untertunnelung des Pertruelrings in München. Eines der ersten und größten Bürgerbegehren, das von einem der vormals entschiedensten Gegner des kommunalen Bürgerentscheids bereits 1996 erfolgreich initiiert wurde - dem CSU-Politiker Peter Gauweiler. Er ist heute ein starker Verfechter der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene. Die neuen Beteiligungsmöglichkeiten waren also auch sehr schnell bei ihren ehemaligen Gegnern angekommen.

Nicht selten wurden Bürgerbegehren durch einen Beschluss des Gemeinderat übernommen. So zum Beispiel in Augsburg beim geplanten Verkauf des Stadtbades. Bayernweit erledigten sich 12,5 Prozent durch einen positiven Beschluss der Gemeinde- bzw. Stadträte. „Oft reicht die Ankündigung eines Bürgerbegehrens schon, um in der Kommune etwas zu bewegen.“, so Socher. Kommt es zu einem Bürgerentscheid, liegt die Erfolgsqoute bei 48.4 Prozent. Ratsreferenden, bei denen Gemeinderäte den Einwohnern ihrer Kommune Fragen vorlegen können, haben mit 48.9 Prozent nur eine marginal höhere Zustimmungsquote als bürgerinitiierte Abstimmungen. Aber auch Bürgerentscheide, die eine Mehrheit der Stimmen bekommen, können scheitern. Wird ein bestimmtes Zustimmungsquorum nicht erreicht, welches von der Größe der Kommune abhängig ist, gilt der Bürgerentscheid als „unecht“ gescheitert. Dies betrifft besonders Städte mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern. Hier scheitern mehr als 20 Prozent aller Bürgerentscheide am Quorum. „Der Gesetzgeber ist dringend aufgefordert diese Ungleichbehandlung aufzuheben und die Höhe der Quoren anzupassen, oder bestenfalls ganz abzuschaffen. Mehr Demokratie fordert dies seit Jahren.“, erläutert Socher.

Dennoch sitzen die Abstimmungskönige in einer Stadt mit knapp 30.000 Einwohnern, Landsberg am Lech (Oberbayern). Seit 1996 fanden hier 15 Abstimmungen statt. Die Landsberger stimmten dabei beispielsweise über die Ausweitung der Fußgängerzone und die Ansiedlung eines Fachmarktzentrums ab. Die durchschnittliche Beteiligung lag hier bei 60.3 Prozent und damit deutlich über den bayernweiten Durchschnitt von 52.2 Prozent. Doch selbst bei gescheiterten Bürgerbegehren lässt sich feststellen, dass diese Auswirkungen auf die Politik im Ort haben. Dementsprechend zieht Socher ein positives Fazit: „Allein durch die Möglichkeit der demokratischen Teilhabe hat sich die politische Kultur in den bayerischen Kommunen spürbar verändert. Und die über 1.600 Bürgerentscheide leisten dazu ihren Beitrag.“

 

Bei Fragen, wenden Sie sich an:

Susanne Socher

Mehr Demokratie e.V. - LV Bayern

Beratung Bürgerbegehren

Mobil: 0170-2414873

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