PAG-Anhörung im Landtag: Wir fordern mehr Bürgerbeteiligung am Gesetz

Am Mittwoch, den 19.05.21, fand die Sachverständigenanhörung im Bayerischen Landtag zur Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) statt. Mehr Demokratie Bayern war als einer von 11 Sachverständigen im Plenum und als einzige Stimme der Zivilgesellschaft vertreten. Trotz mancher Verbesserungen der PAG-Kommission bleibt die Kritik am Begriff der „drohenden Gefahr“ und der Intransparenz der Überwachungsmaßnahmen. Mehr Demokratie Bayern plädiert außerdem dafür, eine interdisziplinäre Kommission begleitend zum PAG einzuführen und die Zivilgesellschaft in Form von Bürgerräten mit in die Diskussion über Freiheit und Sicherheit im PAG-Gesetzesprozess miteinzubeziehen.

 

PAG-Proteste in Bayern 2018

Wir erinnern uns: aufgrund der seit Mai 2018 geltenden EU-Datenschutzrichtlinien und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz müssen die Bundesländer ihre jeweiligen PAGs an den neuen rechtlichen Rahmen anpassen. Die Bayerische Landesregierung hat daraufhin 2018 einen Entwurf zur Novellierung des PAGs veröffentlicht. Dieser hat massive Kritik ausgelöst und eine bayernweite Protestwelle in Gang gesetzt. Alleine auf Demonstrationen in München fanden sich zwischen 30.000 und 40.000 Demonstrierende ein. Mehr Demokratie Bayern war damals Mitglied des „noPAG“-Bündnisses, dem mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen angehören. In dieser Funktion wurden wir vom Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport des Bayerischen Landtags zur Sachverständigenanhörung eingeladen, um die Ergebnisse der PAG-Kommission zu bewerten.

 

Der Begriff der „drohenden Gefahr“

Das bayerische PAG hat 2018 besonders deswegen zu einer großen Protestwelle im Freistaat geführt, weil es den Begriff der „drohenden Gefahr“ enthielt. Dieser Begriff ist auch in der neuen Novelle zum PAG zu finden. Die Kategorie der „drohenden Gefahr“ ist problematisch und abzulehnen, da sie weiterhin ein unbestimmter Begriff bleibt und aus demokratisch-freiheitlicher Sicht gefährlich ist: Menschen werden aufgrund ihrer potentiellen Gefährlichkeit bewertet. Mit dem Begriff der drohenden Gefahr wird der Polizei die Möglichkeit eingeräumt, bereits im Gefahrenvorfeld aktionell einzugreifen. Polizeiliche Maßnahmen, die im Sinne der „drohenden Gefahr“ massive Grundrechtseingriffe legitimieren, führen dazu, dass die Bayerische Polizei ihren (zurecht) hohen Stellenwert in der Bevölkerung als bürgernahe Polizei zu verlieren droht. Die Eingriffsbefugnis der Polizei wird somit massiv in eine eventuelles Tatvorfeld ausgeweitet. Damit wird Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber der Polizei geschürt, was auch nicht im Sinne der Polizei sein kann. Mehr Demokratie lehnt daher den Einbezug des Begriffs der „drohenden Gefahr“ im PAG nach wie vor ab.

 

Intransparente Überwachungsmaßnahmen

Über 50 verschiedene Überwachungsgesetze wurden in den letzten Jahren verabschiedet, die für Bürger:innen kaum fassbar sind. Daher dürfen staatliche Maßnahmen zur Überwachung, wie sie nun im PAG-Entwurf zu finden sind, nicht ausschließlich einzeln, sondern müssen in ihrer Gesamtsumme betrachtet und bewertet werden. Wir brauchen eine Überwachungsgesamtrechnung, um den Bürger:innen transparent klar zu machen, wie viel Überwachung in Bayern stattfindet. Da die Novelle keine Verbesserung hinsichtlich der Überwachung im Kontext der „drohenden Gefahr“ liefert, wird auch die verfassungsrechtliche Klage des noPAG-Bündnisses weiter bestehen. Massive Überwachung beeinflusst das Verhalten der Menschen nachhaltig da der Eindruck verstärkt wird, unter ständiger Kontrolle zu leben. Dies führt dazu, dass sich Menschen nicht mehr frei bewegen, eine Meinung nicht äußern oder eine Handlung unterlassen. Dies kann gefährliche Konsequenzen für unsere freiheitliche Demokratie haben.

 

Wir fordern: mehr Bürger:innenbeteiligung am PAG

Leider wird nach wie vor die Perspektive derjenigen Menschen beim PAG-Prozess vernachlässigt, die am meisten von dem Gesetz betroffen sind: die Zivilgesellschaft. Deshalb fordern wir, dass die Bürger:innen mithilfe eines losbasierten Bürgerrats am Gesetzentwurf mitwirken können. Durch den Rat können Gefühle und Wissen der Menschen im Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit eingebracht werden und dadurch neue Impulse in der Debatte gesetzt werden. Freiheiten sind die Basis unserer Demokratie - gerade auch und vor allem für Minderheiten. Spezielle jene würden in einem Bürgerrat zum PAG mehr gehört werden als in der bisherigen Debatte.

 

Die Novelle des PAGs soll noch dieses Jahr in Kraft treten.